Die Prokura ist eine besondere handelsrechtliche Vollmacht (§§ 48 ff. HGB).
Sie ermöglicht es Unternehmen, eine Person zuverlässig und rechtsverbindlich mit weitreichender Vertretungsbefugnis auszustatten, den Prokuristen. Im Gegensatz zu anderen Arten von Vollmachten ist die Prokura ein starkes Instrument mit klaren gesetzlichen Grundlagen und ausgeprägter rechtlicher Verlässlichkeit.
Umfang einer Prokura, oder: Was darf ein Prokurist?
Ein Prokurist darf nahezu alle Arten von Geschäften im Namen des Unternehmens abschließen, unter anderem beispielsweise:
• Abschluss und Kündigung von Verträgen,
• Prozessführung und gerichtliche Vertretung,
• Aufnahme von Krediten,
• Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern,
• Erwerb, Vermietung und Verpachtung von Grundstücken,
• Zeichnung von Wechseln, Ausstellung von Vollmachten, Kommunikation mit Behörden.
Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist aber nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist (§ 49 Abs.2 HGB).
Von dem Umfang einer Prokura sind weiter die sogenannten Grundlagengeschäfte ausgeschlossen, also etwa die Änderung der Rechtsform (z.B. Umwandlung von GmbH zu Aktengesellschaft), Eintragung von Geschäftsführern oder die Auflösung des Unternehmens.
Anwendungsbeispiele für die Prokura aus der Praxis:
Ein Handelsunternehmen bestellt einen Prokuristen. Der Prokurist kann für das Unternehmen Waren bestellen, Lieferverträge abschließen, eine Marke anmelden, ein Grundstück für ein Lager ankaufen oder anmieten, das Unternehmen organisieren oder Handelsvertreter beauftragen.
Der Prokurist eines Maschinenherstellers kann im Namen des Unternehmens Materialien einkaufen, Maschinen verkaufen, Bankverträge abschließen, eine Grundschuld abtreten, Kunden verklagen oder Geschäftsanteile an einem anderen Unternehmen erwerben.
Ist die Prokura in den Beispielen unbeschränkt als Einzelprokura erteilt, so kann der Prokurist diese Rechtsgeschäfte für das Unternehmen abschließen, ohne dass dafür die Unterschrift des Geschäftsführers erforderlich ist.
Wie wird eine Prokura erteilt?
Die Prokura wird ausdrücklich durch den Inhaber des Handelsgeschäfts (d.h. bei einer GmbH durch die Geschäftsführung erteilt, § 48 HGB). Ihre Erteilung ist formfrei möglich, aber sie sollte immer schriftlich dokumentiert werden.
Die Prokura muss für ihre rechtliche Wirksamkeit nicht in das Handelsregister eingetragen werden, allerdings gilt die Eintragung als verbindlicher Nachweis nach außen und ihre Anmeldung ist auch gesetzlich vorgegeben (§ 53 HGB). Durch diese Publizität kann sich ein Geschäftspartner auf das Bestehen oder Erlöschen der Prokura berufen (§ 15 HGB), wodurch auch das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Prokura begründet wird.
Für die Erteilung von Prokura gibt es verschiedene Formen, z.B.:
• Einzelprokura: Der Prokurist darf alleine handeln.
• Gesamtprokura: Zwei oder mehr Prokuristen müssen gemeinsam zeichnen.
• Filialprokura: Die Vertretung ist auf eine bestimmte Niederlassung beschränkt.
Wer kann Prokura erteilen?
Prokura kann nur von dem Inhaber eines Handelsgeschäfts erteilt werden, also von einem Kaufmann (§ 1 HGB) oder von seinem gesetzlichen Vertreter (also bspw. durch den Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 35 GmbHG oder durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft gemäß § 78 AktG).
Wie haftet das Unternehmen?
Eine Beschränkung der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 HGB). Im Außenverhältnis haftet der Vollmachtgeber (also das Unternehmen) für die von dem Prokuristen als Vertreter vorgenommenen Handlungen.
Wie haftet der Prokurist?
Im Innenverhältnis, d.h. gegenüber dem Unternehmen, haftet der Prokurist bspw. für den Missbrauch seiner Vertretungsmacht und gemäß dem seiner Beschäftigung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis (meistens Arbeitsvertrag).
Im Außenverhältnis, d.h. gegenüber Dritten, haftet der Prokurist nach den allgemeinen Regeln, z.B. für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs.2 BGB, sog. c.i.c. „culpa in contrahendo“), aber auch deliktisch bzw. strafrechtlich (z.B. Betrug, § 263 StGB oder Untreue, § 266 StGB).
Ein Prokurist kann durch eine faktische Geschäftsführung auch wie ein Geschäftsführer haften, bspw. dann, wenn der Prokurist im Geschäftsverkehr wie ein Geschäftsführer auftritt und für das Unternehmen handelt, als sei er Geschäftsführer.
So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 2005, A.z. II ZR 235/03, entschieden, dass der faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages nach § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet ist, sondern dass er auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen hat. Weiter hat der BGH dazu klargestellt: Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist es erforderlich, daß der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat.
Widerruf der Prokura
Die Prokura ist jederzeit widerruflich (§ 52 HGB). Auch dieser Widerruf sollte schriftlich erfolgen und unverzüglich im Handelsregister angemeldet werden.